Erschienen: November 2024 / LESEDAUER: 6 Minuten / Erfahre hier mehr Über Konsum
Die Ressourcen, die wir tagtäglich verbrauchen, sind nicht unendlich verfügbar – das ist hinreichend bekannt. In unserem aktuellen Wirtschaftssystem ist es aber so, dass wir im Großen und Ganzen einem linearen System folgen. Es folgt, vereinfacht gesagt, den drei Stufen „take“, „make“, „waste“ und steht in klarem Kontrast zu der Tatsache, dass Ressourcen nicht endlos sind.
Übersetzt heißt das so viel wie: Wir entnehmen dem Planeten Ressourcen, machen Produkte daraus und am Ende des Lebenszyklus werfen wir diese dann weg. Dazu kommt, dass wir durch dieses lineare Produktionssystem auch noch Energie sinnlos verschwenden, statt Energie einzusparen. Obwohl das zum Erreichen der Energiewende dringend notwendig wäre.
Aber gibt es auf unserer Welt, einem Planeten mit planetaren Grenzen überhaupt "einweg"? Nein. Denn alles was an Ressourcen auf unserem Planeten vorhanden ist, ist schon da und bleibt auch auf der Erde. Komisch eigentlich, dass wir uns als Gesellschaft vor diesem Hintergrund dafür entschieden haben einem linearen Verwertungssystem zu folgen, bei dem wir uns nur sehr wenig um das kümmern was am Ende übrig bleibt.
Nein. Das Problem an der Sache: das lineare Wirtschaftssystem, wie wir es kennen, betrifft so gut wie alle Lebensbereiche der gesamten Menschheit. Klingt nach einer Mammutaufgabe dies zu ändern – wir haben aber schon mehrmals bewiesen, dass wir das können, nur in die entgegengesetzte Richtung.
Nun gibt es schon lange zahlreiche Bestrebungen diesen verschwenderischen Umgang mit Rohmaterialien zu begrenzen, zu verkleinern, umzukehren. Den meisten wird hier das Thema Recycling einfallen. Doch so einfach ist das leider nicht. Denn Recycling kann nicht alles lösen und ist oftmals überhaupt nicht möglich. Als Beispiel dienen hier die fossilen Brennstoffe. Was also tun in einer globalisierten, vernetzten und digitalen Welt, um die Ressourcen-Probleme unserer Zeit in den Griff zu bekommen?
Ein System, das sich diesen Problemen annimmt und sämtliche Bemühungen hinsichtlich eines sorgvollen Umganges mit Ressourcen bündelt, ist die sogenannte Circular-Economy – die Kreislaufwirtschaft. Einfach erklärt: Es geht nicht einfach nur darum Müll zu vermindern, sondern das Konzept von Abfall an sich zu beseitigen. Eigentlich wie in der Natur: Dort gibt es so etwas wie Müll nicht. Alles wird in einem ewigen Kreislauf wiederverwertet. Alles hat einen Nutzen, auch nach dem eigentlichen Lebenszyklus.
Dazu haben wir eine Person gefragt, die sich mit dem Thema auskennt. Anna Köhl ist Expertin für Circular-Economy, beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit diesem Thema, macht ihren PhD mit Schwerpunkt Zirkuläre Geschäftsmodelle und hat mit endlich. ein Unternehmen gegründet, das Unternehmen, Organisationen, Menschen und auch Gemeinden bei der sogenannten zirkulären Transformation begleitet. Also auf dem Weg weg von der Linearwirtschaft, hin zu einem zirkulären System. Hin zu einem System, dessen Wachstum nicht auf der Ausbeutung der Natur basiert. „Die Circular-Economy ist ein Wirtschaftssystem, das die Wirtschaftstätigkeit vom Ressourcenverbrauch entkoppelt“, erklärt die Expertin.
Auch hier hilft die Wissenschaft weiter und kategorisiert grob in vier Themenbereichen, wie zirkuläres Wirtschaften funktioniert.
„Es geht darum Ressourcen-Kreisläufe zu verlangsamen“, erklärt Köhl. Das geht zum Beispiel mit einer Verlängerung der Nutzungsdauer einher. Im klassischen Sinne: die Reparatur. Drei Tiroler*innen, die sich diesem Geschäftsmodell angenommen haben, sind die Betreiber*innen von Second Ascent Repairs. Sie haben in Innsbruck ein Reparaturstudio für Outdoorbekleidung gegründet und gehören damit in Tirol zu den, inzwischen wieder, Vorreiter*innen. Denn die Reparatur ist eigentlich ein alter Hut. Nur hauen wir den heutzutage halt lieber weg, als zu reparieren. Dabei arbeiten sie auch mit großen Outdoor-Labels zusammen, welche ihnen ebenso Bekleidung von Kundinnen und Kunden zur Reparatur schicken.
Das wohl einfachste Konzept ist hier der Verzicht auf diverse Materialien. Wie etwa der Verzicht auf Verpackung. greenroots, ein verpackungsfreier Markt am Marktgraben in Innsbruck ist ein gutes Beispiel dafür, wie das funktionieren kann. Bei greenroots haben sie schon früh erkannt, dass Verpackung, gerade bei Lebensmitteln, ein großes Problem darstellt und so ein Konzept geschaffen, das dieses umgeht. Käufer*innen bringen wiederverwendbare Verpackung selbst mit und füllen die Lebensmittel und Dinge für den Alltag wie etwa Waschmittel dort hinein. Beim spontanen Besuch bekommst du auch vor Ort Mehrwegverpackungen.
Das Tiroler Start-up uptraded fällt in diese Kategorie. Die Gründerin hat es sich zur Aufgabe gemacht, sich dem Fast-Fashion-Problem anzunehmen und eine App programmiert, die es erlaubt Kleider schnell und einfach zu tauschen. Zudem finden regelmäßig Live-Tauschbörsen statt. Du bringst deine noch gute Kleidung, die du selbst nicht mehr brauchst und tauscht sie mit anderer Second-Hand-Ware ein.
Es braucht auch viel Bildungsangebot, das dem linearen System, welches bis heute prioritär gelehrt wird, Parole bieten kann. „Kapitalismus ist kein Naturgesetz“, fasst die Expertin zusammen und ermutigt so zur Änderung. In Tirol haben sich nicht nur Hochschulen wie die FH Kufstein, das MCI oder die Universität Innsbruck diesem Thema angenommen. Und auch bei den Kleinsten tut sich etwas. Projekte wie die „Energiewichtel“ der Energieagentur Tirol erklären spielerisch in Kindergärten und Schulen wie mit Ressourcen verantwortungsvoll umgegangen werden kann.
„Ein wichtiges Ziel ist es, dass Menschen und Unternehmen die Dringlichkeit in Hinblick auf die Umstellung zu zirkulären Systemen erkennen“ erklärt Köhl. „50 Prozent des globalen Bruttoinlandproduktes basieren auf der Natur“, führt sie fort. Heißt so viel wie: Gefährden wir diese, gefährden wir unsere Wirtschaft. Eine solche Umstellung hilft uns auch in der Verbesserung unserer Energieeffizienz, da ein reduzierter Ressourceneinsatz letztendlich zu einem geringeren Energieverbrauch führt. Und das Nutzen von erneuerbarer Energie setzt sowieso eine gewisse Zirkularität voraus. So geht kaum bis nichts verloren und der vielseitige Kreislaufgedanke trägt zum gemeinsamen Ziel TIROL 2050 energieautonom bei.
„Als Unternehmen kann man sich in erster Linie informieren, was schon in der eigenen Branche passiert und welche Zukunftsbilder es geben kann, um das lineare System durch ein zirkuläres zu ersetzen“, weiß Köhl. Dabei gehe es nicht darum, von heute auf morgen umzustellen um zu ergänzen: „Das wäre zwar gut, ist aber nicht realistisch. Es geht darum anzufangen und die Vorteile der Circular-Economy zu erkennen. Digitales und KI kann hier zudem große Vorteile bieten und gewisse Geschäftsmodelle erst ermöglichen.“
„Einzelpersonen können vor allem beim Thema Konsum einen Impact schaffen. Bei der Art wie wir uns fortbewegen, Lebensmittel konsumieren oder besonders auch vor Weihnachten und Black Friday in der Art wie wir mit Mode und anderen Konsumgütern umgehen.“ So tragen wir alle dazu bei, die vorhandenen Ressourcen zu schonen und einen bewussten Umgang mit ihnen zu leben.