Kaunertal

Ein Tal, das weiterdenkt

In einem engen Tal mit Weitblick agieren. Das trifft auf die Menschen im Kaunertal zu. Die Region ist nicht nur von atemberaubender Natur geprägt, sondern steht auch für mutige, zukunftsorientierte Entscheidungen – für Einheimische und Besucher*innen. Wir schauen uns an, was andere Regionen vom Kaunertal lernen können.

Erschienen: Februar 2025 / LESEDAUER: 4 Minuten / Erfahre hier mehr Über die KLimaschutz

Das Kaunertal als Teil des Tourismusverband Tiroler Oberland setzt auf Nachhaltigkeit. Nicht nur im Bereich Tourismus will sich die Region dahingehend positionieren. Die Bestrebungen reichen weiter. Hier bestehen die Verantwortlichen darauf, dass Naturschutz Teil der Zukunft ist.

Warum das so ist und wie es umgesetzt wird? Zur Beantwortung dieser Fragenhaben wir Judith Falch, Nachhaltigkeitskoordinatorin des Tourismusverband Tiroler Oberland, einen Tag lang bei ihrer Arbeit begleitet und diverse Akteur*innen besucht. Eines ist gewiss – Naturschutz geht nur gemeinsam.

Alle profitieren

Judith betont gleich zu Beginn: „Damit wir überhaupt etwas umsetzen können, arbeiten im Kaunertal zahlreiche Menschen zusammen, die unser Tal lebenswert machen wollen.“ Wir erfahren vom nachhaltigen Anreisekonzept per Bus & Bahn und vom E-Ladeangebot am Kaunertaler Gletscher, um eine klimafreundliche Anreise der Gäste zu fördern. Oder von bewusstseinsbildenden Angeboten wie dem Ausbildungsprogramm zum*zur Klimawanderführer*in.

Das kleine Tal im Tiroler Oberland ist zudem auch Teil von großen internationalen Programmen. „Als 'CLAR-Region' haben wir uns bereits 2014 einer ressourcenschonenden, glaubwürdigen und nachhaltigen touristischen Ausrichtung verschrieben. Wir Menschen spielen dabei eine zentrale Rolle. Durch unseren verantwortungsvollen Umgang mit der Natur, kombiniert mit einer strategischen wirtschaftlichen Ausrichtung, können wir die lokale Wertschöpfung steigern“, erklärt sie uns und ergänzt: „Damit es dem ganzen Tal gut geht.“

§ 17a Nachhaltigkeits-koordinator*in

Das Tiroler Tourismusgesetz schreibt seit seiner Aktualisierung im Jahr 2022 vor, dass Tirols Tourismusverbände eine Nachhaltigkeitsstrategie für ihre Destination entwickeln und einen jährlichen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen müssen. Um die lokalen Tourismusakteur*innen dabei zu unterstützen, hat die Tirol Werbung als Landestourismusorganisation ein Kompetenzzentrum für Nachhaltigkeit eingerichtet. „Diese gesetzlichen Vorgaben sind in Österreich und im ganzen Alpenraum einzigartig“, hebt Nicole Ortler, die das Kompetenzzentrum leitet, die Vorreiterrolle Tirols hervor.

Im Zentrum des Gesetzes stehen die Nachhaltigkeitskoordinator*innen, die es in jedem Tourismusverband verpflichtend geben muss – wie Judith im Kaunertal. Auf Initiativen des Kompetenzzentrums Nachhaltigkeit gibt es regelmäßige Treffen für alle Nachhaltigkeits-Koordinator*innen. „Es ist uns gelungen eine Plattform zu schaffen, in der Ideen ausgetauscht, gemeinsame Herausforderungen diskutiert und Best Practices erforscht werden können“, so Ortler. In Zusammenarbeit mit dem Verband der Tiroler Tourismusverbände und dem MCI wurde zudem ein Nachhaltigkeits-Check entwickelt aus dessen Ergebnissen der landesweite Nachhaltigkeits-Bericht entsteht und jährlich an die Landesregierung übermittelt wird.

Naturpark Kaunergrat

Unser erster Stopp führt uns gleich zu einem Aushängeschild der Bemühungen in Sachen Naturschutz. Das vor kurzem eröffnete Naturparkhaus Kaunergrat, am Kaunerberg gelegen, bildet die Drehscheibe der Naturpark-Initiativen in der Region und soll Besuchenden diese Bestrebungen näherbringen – unter anderem auch über 1.600 Schüler*innen jährlich, die das Naturparkhaus und seine Ausstellung besuchen. „Unsere Aufgaben im Naturpark sind natürlich weitreichender als das Betreiben des Naturparkhauses“, erklärt Ernst Partl, der Geschäftsführer des Naturpark Kaunergrat. „Unsere Arbeit ist es, die Natur zu schützen, zu revitalisieren und die Bevölkerung für diesen Schatz zu sensibilisieren“, führt er fort. Nur so könne eine langfristige, nachhaltige Entwicklung in der Region garantiert werden.

KLAR! Kaunergrat

Als eine der ersten in Österreich haben sich 2017 mehrere Gemeinden am Kaunergrat zusammen geschlossen, um eine sogenannte „Klimawandel-Anpassungs-Region“ zu gründen. Schon damals war das Bewusstsein da, dass der Klimawandel die Regionen nachhaltig verändern wird. Die KLAR!-Region begann daher frühzeitig, sich darüber Gedanken zu machen. Die sechs Gemeinden Faggen, Fliess, Kaunertal, Kaunerberg und Kauns, alle am Kaunergrat gelegen, sind Teil dieser Kooperation, welche von Bernadette Hofer, der Projektkoordinatorin, geleitet wird. Umgesetzte Maßnahmen sind zum Beispiel die Initiative zum naturnahen Waldbau, die Förderung für Regenwasserspeicher in Privathaushalten oder die Anschaffung von Spezialpumpen für die lokale Feuerwehr. Ziel ist es, zukunftsfitte Ideen und Initiativen ins Leben zu rufen, um auch die Chancen des Klimawandels zu entdecken. 

„Wir treffen uns zum Beispiel regelmäßig zu Klimastammtischen und laden dabei Experten und Expertinnen aus diversen Fachbereichen ein, um sich mit uns gemeinsam über diverse Themen auszutauschen“, erklärt Hofer.

Soziale Nachhaltigkeit

Meist unterschätzt, aber gerade für Regionen von unschätzbarem Wert, wenn über Nachhaltigkeit geredet wird, ist die soziale Nachhaltigkeit. Darunter fällt zum Beispiel das Thema der Barrierefreiheit. Schon früh bemühte sich das Kaunertal darum, niemanden auszugrenzen und mit einer Vielzahl an Initiativen konnte so ein barrierefreies Tal geschaffen werden. „Wir haben zahlreiche barrierefreie Wanderwege und der Gletscher sowie alle Bergbahnen sind bei uns barrierefrei erreichbar“, erklärt Judith Falch. Dass die Kaunertaler*innen dann noch gerne einen Schritt weitergehen, zeigt das Beispiel Hotel Weißseespitze, das am häufigsten ausgezeichnete Hotel für Rollstuhlfahrer*innen im gesamten Alpenraum.

Hotel Weißseespitze

„Mein ehemaliger Schwager hatte einen schweren Unfall und ist seitdem im Rollstuhl“, erklärt Paul Hafele, der Juniorchef des Hotels. „Dann haben wir uns relativ schnell dafür entschieden, das Hotel barrierefrei zu gestalten, entgegen vieler kritischer Stimmen im Tal“, führt er fort. Über die Jahre wurde erst klar, was es heißt, wirklich barrierefrei zu sein. Von Pool-Lift über ein barrierefreies Stiegenhaus (Rampenhaus wohl eher), über eine rollstuhlgerechte Bar und und und. Das Konzept geht auf und fällt, Personen, die nichts davon wissen, gar nicht auf. Gut gelöst, finden wir. „Wenn man es nicht weiß, fühlt man sich einfach eher nur so, als hätte man mehr Platz im Vergleich zu anderen Hotels. Was auch nicht schlecht ist“, erzählt er uns. 

„Für uns heißt soziale Nachhaltigkeit niemanden auszugrenzen. Und es jeder Person zu ermöglichen, Urlaub zu machen“, fasst Paul Hafele zusammen.

Kaunertaler Gletscherbahnen

Und weiter geht’s ins Tal hinein. Immer höher rauf, bis auf 2.750m Seehöhe zum Skigebiet Kaunertaler Gletscher. Um uns mit Franz Wackernell, dem Geschäftsführer der Kaunertaler Bergbahnen zu treffen. Denn Umsetzungen für mehr Nachhaltigkeit finden auch dort oben statt. Wie ein kostenloses Skibusangebot für weniger CO2-Emissionen. Außerdem soll Österreichs höchstgelegene Elektroladestation zur Anreise mit dem E-Auto motivieren. Manche behaupten sogar, dass es die schönste Ladestation Österreichs sei. Wenn das mal kein überzeugendes Argument ist.

Besonders hervorheben möchte Franz: „Wir legen viel Wert auf den effizienten Betrieb unserer Seilbahnen.“

Das zeigt etwa die Falginjochbahn, die ihre Bremsenergie, die bei der Talfahrt entsteht, wieder direkt in das Stromnetz einspeist. Außerdem werden Heizkosten gespart, indem die Abwärme der Antriebseinheit den Warteraum im Stationsgebäude beheizt. Und die kürzlich neu eröffneten 10er-Kabinen-Umlaufbahn, versorgt sich im Jahresschnitt anhand von Photovoltaik-Anlage an der Fassade selbst mit Strom. 

Diese Umsetzungen sind das Ergebnis der Nachhaltigkeitsstrategie der Kaunertaler Gletscherbahnen, mit der klaren Zieldefinition energieautonom zu werden.

„Ich denke, wir machen vieles anders als die anderen. Wir haben nicht vor, die große Masse zu bedienen. Wir wollen die Region bewahren und erhalten. Und das hat auch damit zu tun, dass wir es den Menschen im Tal ermöglichen, in der Region einen Arbeitsplatz zu haben und eine intakte Natur zur erleben“

Franz Wackernell, Geschäftsführer Bergbahnen Kaunertaler Gletscher

Gemeinsam weiter

Das war er. Ein Einblick in ein kleines Tal, das weiterdenkt. Die Reise beweist wieder mal: Auch in den engsten Tälern ist Weitblick möglich. Dafür muss aber etwas getan werden. „Man hat am heutigen Tag gesehen, dass wir nur gemeinsam am Thema Naturschutz arbeiten können“, fasst Falch zusammen. „Wir ziehen im Kaunertal an einem Strang und wollen alle miteinbeziehen. Damit wir unser Tal lebenswert halten. Für uns und unsere Gäste.“

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