Erschienen: Juli 2023 / LESEDAUER: 4 Minuten / Erfahre hier mehr über Erneuerbare Energien
Wenn ein Unternehmen seit 263 Jahren ohne Unterbrechung eine Region mit Grundnahrungsmitteln versorgt, ist das für sich schon eine Geschichte des Gelingens. Doch die Wieshofer Mühle aus St. Johann in Tirol beeindruckt nicht nur mit ihrer Geschichte, sondern vor allem auch mit der aktuellen Generation an MüllerInnen. Sie versorgen Tirol nicht nur mit Mehl, sondern tragen auch dafür Sorge, dass das noch lange so bleibt: Mit Bedacht, Sinn für Regionalität und jeder Menge erneuerbaren Strom aus eigener Wasserkraft und einer großflächigen Photovoltaik-Anlage.
Wir treffen uns mit Lukas Krainz, Müller in sechster Generation, der mit seiner Schwester Caroline Krainz-Gasteiger die Mühle führt. Von ihm möchten wir in erster Linie wissen, warum er sich so sehr mit dem Thema Energiegewinnung auseinandersetzt. Wasserkraft ist früher zwar immer Hand in Hand mit einer Mühle gegangen, denn ohne konnte man keine Mühle betreiben, die Photovoltaik ist aber seit heuer neu. „Ich kenne keine andere Mühle, die Photovoltaik in dieser Größe am Gebäude hat.“, meint Lukas Krainz stolz. Er zeigt uns gerade die größte der zwei (und bald drei) Teil-Anlagen an der Südfassade des Mühlengebäudes. „Hier haben wir 90 Kilowatt Peak Leistung, am Wirtschaftsgebäude sind es noch einmal 70 Kilowatt Peak. Bis Jahresende kommen dann am Dach des Produktlagers weitere 50 Kilowatt Peak dazu“, beschreibt Lukas Krainz seine Anlage, die schlussendlich eine Peakleistung von 210 Kilowatt erreichen wird. Gemeinsam mit dem Wasserkraftwerk, das aktuell auf knapp unter 90 Kilowatt Dauerleistung kommt, produziert die Wieshofer Mühle über das Jahr gerechnet rund 850 Megawattstunden (MWh) Energie, wobei sie „nur“ rund 700 Megawattstunden verbraucht.
Über das Jahr gerechnet ist das ein Energieüberschuss. Und für Lukas Krainz erst der Anfang. „Natürlich hat uns die Wasserkraft eine sehr gute Basis geliefert, um energieunabhängiger zu werden. Diese war jahrelang mehr oder weniger ein Hobby, da ich kaum etwas für den in der Nacht produzierten Strom am Markt bekommen habe.“, argumentiert Krainz. „Jetzt ist das anders“, freut er sich um seine langjährig investierte Arbeit. In Kombination mit der Photovoltaik-Anlage spart sich der Müller im Jahr einen sechsstelligen Betrag an Stromkosten (Anmerkung: abhängig vom aktuellen Marktpreis). Am Ende spart er dadurch nicht nur Geld, sondern macht sich zusätzlich unabhängig von fossilen Energieträgern – eines der Ziele von TIROL 2050 energieautonom.
Diese Kostenersparnis kommt aber nicht nur daher, dass einfach viel Fläche für die Sonnenstrom-Anlage genutzt wurde, hebt Krainz hervor. „Unser Ansatz war es immer zuerst zu schauen, wo wir Energie einsparen können.“, erzählt er. Da die Mühlen selbst den größten Verbraucher darstellt, wurde hier als Erstes angesetzt und die Laufintensität sowie Laufzeit optimiert. „Auch wenn die Mühlen bereits knapp 70 Jahre alt sind, laufen die einerseits sehr energieeffizient und andererseits sehr getreideschonend.“, weiß Krainz um den Wert dieser Maschinen. „Zudem können wir alles selbst reparieren“, freut er sich.
Jahrelang hat die vorige Generation sehr konservativ in die Mühle investiert – wie es Krainz charmant ausdrückt. Das hat dazu geführt, dass die Anlage zukunftsfit gemacht werden musste. „Wir können nicht alles gleichzeitig machen, also müssen wir uns auf die Dinge konzentrieren, die für den Erhalt der Mühle wichtig sind.“, beschreibt Krainz die Situation. Und dazu gehöre nun mal in erster Linie ein zukunftstaugliches und nachhaltiges Energiekonzept inklusive Energiegewinnung, erklärt er. „Die Menschen in der Region erlangten vor allem durch Covid-19 wieder das Bewusstsein, dass Nahversorger wichtig sind. Diese Rolle besetzen wir sehr gerne, können das aber auch nur machen, wenn wir wirtschaftlich profitabel sind. Und da sind geringe Energiekosten ein immens wichtiger Teil davon – das ist unsere größte Ausgabe.“, beschreibt er die Rolle der Wieshofer Mühle.
Doch woher kommt dieser Antrieb von Lukas Krainz, sich mit dem Thema Energie so umfassend zu beschäftigen? Schließlich muss er mit seiner Schwester gemeinsam das Tagesgeschäft führen, Mehl verkaufen, KundInnen besuchen und Neue gewinnen, neue Produkte mitentwickeln, Mitarbeitende einstellen und vieles mehr. „Das Interesse kommt, denke ich schon aus meiner Kindheit, als ich mich zuerst mit meinem Vater gemeinsam und dann schon früh allein um das Wasserkraftwerk kümmern musste.“, erinnert sich Krainz. „Ich habe einfach Spaß daran, Prozesse effizienter zu gestalten. Da geht es in erster Linie gar nicht nur um den reinen wirtschaftlichen Vorteil. Der ergibt sich dann als Summe der vielen kleinen und großen Optimierungen.“, fühlt sich Krainz sichtlich wohl mit seinem Interesse an Energie. „Und wenn dann am Ende ein gutes Gesamtkonzept dasteht, das nicht nur nachhaltig ist, sondern auch noch wirtschaftlich Sinn macht, freut mich das einfach.“, erzählt er.
Fertig werde er wohl nie, meint Krainz angesprochen auf seine nächsten Ziele und Optimierungen in Sachen Energieverbrauch und Gewinnung. Große, kommende Projekte werden die Speicherung von Energie und die Umstellung der LKW-Flotte auf E-Antrieb sein, plant er. „Ich investiere gerne in technische Verbesserungen und werde das auch mit großer Leidenschaft vorantreiben. Leider geht aber nicht alles auf einmal – auch wenn ich es mir wünschen würde, muss ich den Betrieb ja auch erhalten.“, zeigt sich Krainz aber zukunftsfit.
Anderen UnternehmerInnen empfiehlt er zuallererst Energie einzusparen, sich aber im selben Atemzug schon Gedanken, um die Gewinnung zu machen. „Das geht zwar Hand in Hand, der erste Schritt muss meines Erachtens aber der geringere Verbrauch sein.“, ist er sich sicher. Das können wir unterschreiben.